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Hebesätze beschlossen
Wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts mussten die gesetzlichen Bestimmungen für die Grundsteuer ab dem Jahr 2025 reformiert werden. Während für die Grundsteuer A (land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke) auch künftig für ganz Deutschland gleiche Bedingungen gelten (Ertragswertverfahren), hat sich das Land Baden-Württemberg bei der Grundsteuer B (bebaute oder bebaubare Grundstücke) für einen eigenen Weg entschieden.
Bei diesem Bodenwertmodell wird die Grundstücksfläche mit dem vom Gutachterausschuss auf den 01.01.2022 festgestellten Bodenrichtwert multipliziert. Anders als beim bisherigen System bleibt ein etwaiger Gebäudewert damit vollkommen unberücksichtigt. Für die Ermittlung der Grundsteuerschuld gibt es ein dreistufiges Verfahren:
Für die Durchführung der ersten beiden Stufen ist das Finanzamt verantwortlich. Nur für die letzte Stufe ist die Gemeinde zuständig. Dafür musste sie in der Sitzung des Gemeinderats am 12.11.2024 neue Hebesätze beschließen (siehe Bekanntgabe Hebesatzsatzung). Auf grundsteuer-bw.de hat das Land auch ein gut verständliches Erklärvideo dazu veröffentlicht.
Trotz ihrer schwierigen Finanzlage hat sich die Gemeinde an die Empfehlung des Landes gehalten, mit dem neuen Hebesatz keine nennenswerten Mehrreinnahmen gegenüber dem bisherigen Grundsteueraufkommen zu erzielen. So liegt der beschlossene Hebesatz bei der Grundsteuer B mit 200 % (gegenüber 400 % bisher) auch innerhalb des vom Land veröffentlichten Transparenzregisters. Der Hebesatz für die Grundsteuer A wird von 370 % auf 360 % abgesenkt. Näheres zur Kalkulation ist der öffentlich zugänglichen Beschlussvorlage zu entnehmen (Gemeinderatsdrucksache Nr. 87/2024).
Die sogenannte "Aufkommensneutralität" bezieht sich dabei ausschließlich auf das Grundsteueraufkommen in der Gemeinde insgesamt. Auch bei einer aufkommensneutralen Gestaltung kommt es zwangsläufig zu Belastungsverschiebungen. Demnach werden viele Steuerpflichtige mit der neuen Hebesatzgestaltung deutlich mehr bezahlen müssen als bisher und andere wiederum deutlich weniger. Die Belastungsverschiebungen ergeben sich insbesondere zwischen verschiedenen Grundstücksarten. Belastungsverschiebungen sind eine zwangsläufige Folge der o.g. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Umsetzung in Baden-Württemberg. Sie können von der Gemeinde nicht umgangen werden. Sie darf zum Beispiel keine unterschiedlichen Hebesätze innerhalb der Grundsteuer B für Altbauten oder Einfamilienhausgrundstücke anwenden.
Da ausschließlich die Bodenwerte für die Bewertung maßgeblich sind, kommt es bei der Steuer ganz besonders auf die Grundstücksgröße an. Eine Bebauung mit einem neuwertigen Gebäude führt anders als bisher zu keiner höheren Grundsteuerbelastung für den Steuerpflichtigen. Dafür wirkt sich ein eher einfaches und altes Gebäude im Vergleich dazu nicht mehr ermäßigend aus. Noch stärker erhöht sich die Belastung daher für unbebaute, aber bebaubare Grundstücke - zumal sie vom Finanzamt auch schon in der Grundsteuer B mit einer höheren Messzahl bewertet werden. Mit der Grundsteuer C könnten diese Grundstücke sogar noch höher belastet werden. Davon hat die Gemeinde im Moment jedoch noch abgesehen, weil es im Erhebungsverfahren noch Schwierigkeiten in der Umsetzung gibt.
Ein großer Unterschiedsfaktor ist die Systemänderung bei der Grundsteuer B auch für die gewerblich genutzten Grundstücke - insbesondere, wenn sie in den Gewerbegebieten verortet sind. Hier liegt der Bodenrichtwert deutlich unter den Wohngebieten. Alleine die Eigentümerinnen und -eigentümer im Gewerbegebiet von Pliezhausen werden dadurch in Summe um mehr als 100.000 Euro entlastet.
Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinderat auf Vorschlag der Verwaltung auch eine moderate Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes um 10 % auf 380 % beschossen. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass Steuererhöhungen in der aktuellen konjunkturellen Situation wirtschaftspolitisch sehr fragwürdig sind. Beispielsberechnungen zeigen jedoch, dass die Steuersenkungen bei der Grundsteuer B für viele Unternehmer höher sind als die Mehrbelastungen bei der Gewerbesteuer. So gesehen fällt die unternehmerische Entlastung durch die Grundsteuerreform nicht so hoch aus, wie sie hätte sein können. Dennoch verbleibt bei zahlreichen Unternehmen eine steuerliche Entlastung. Der Gemeinderat musste abwägen, dass bei einer ebenso aufkommensneutralen Festsetzung der Gewerbesteuer gegenüber der letzten Hebesatzanpassung 2022 keinerlei Inflationsausgleich für den Gemeindehaushalt erfolgt wäre. Um einen solchen zu erzielen, hätte das Gesamtsteueraufkommen aus den Realsteuern um mehrere hunderttausend EURO erhöht werden müssen. Dagegen bemessen sich die hebesatzbedingten Mehrreinnahmen bei der Gewerbesteuer mit gut 100.000 Euro eher moderat. Der neue Hebesatz bewegt sich zudem ziemlich genau im Landesdurchschnitt. In der Beschlussvorlage wurden die unterschiedlichen Auswirkungen der Hebesatzänderungen beispielhaft aufgezeigt.